Entlarvte Verkaufsstrategie: „Wir machen Personaler glücklich.“

18. Februar 2014

Aktuell schaltet eine bekannte personalwirtschaftliche Zeitschrift für sich selber Anzeigen mit der vielsagenden Überschrift „Wir machen Personaler glücklich“, die auf eine gleichermaßen heiße wie hilfreiche Spur führen.

John Lavine als großer Medien-Guru der Kellogg School of Management an der Northwestern University erklärt dem Autor des kleinen Reiseführers „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ bei einer großen Portion BBQ Baby Ribs in Chicago das kleine Geheimnis erfolgreicher Medienprodukte: Egal was es ist, am Ende muss der Leser etwas haben, worüber er reden kann oder wodurch er schlauer wird („Give them something to talk about or make them smarter“). Das ist interessant und hilft uns weiter, weil wir ja alle verstehen sollten, warum Medienmacher, Zeitungen und Zeitschriften das machen, was sie tun. Zudem ist diese Forderung nach Fokussierung auf einen dieser Aspekte plausibel, zumindest wenn man die Bild-Zeitung betrachtet (denn darüber kann man sprechen) oder die eine oder andere wissenschaftliche Zeitschrift (die uns schlauer macht).

Was aber ist mit den personalwirtschaftlichen Fachmagazinen, von denen es in Deutschland immerhin vier Größere gibt? Was ist die geheime Botschaft hinter deren Artikeln? Warum werden genau diese Artikel abgedruckt, während viele andere nie das Augenlicht der Leser erblicken? Wer wird überhaupt Autor? Worauf achten Chefredakteure, wenn sie Artikel intern oder extern in Auftrag geben? Was sind typische Themen, über die geschrieben wird? Was sind Fragestellungen, die medial verleugnet oder geflissentlich oberflächlich diskutiert werden, wodurch sich die Fragestellungen einschließlich ihrer zugrundeliegenden Probleme natürlich nicht in Luft auflösen? Wer wird zum Helden und Vorbild erklärt? Wer wird zum Absteiger und zum Verlierer oder gar zur Verliererin? Und: Folgen die personalwirtschaftlichen Fachmagazine der Aufforderung von John Lavine, dass Leser über Artikel sprechen und/oder schlauer werden?

Fragen über Fragen, alle wichtig und alle unbeantwortet – bisher! Denn der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ folgt seiner ihm eigenen Tradition des „Erklärens“ (also Schlau-Machens) und deckt erstmalig die wahre Medienstrategie personalwirtschaftlicher Fachmagazine aus Deutschland auf. Allerdings war das Finden dieses Erklärungsmusters genauso Zufallstreffer wie die Entdeckung der DNA durch Watson & Crick: Denn das einleitend erwähnte personalwirtschaftliche Fachmagazin machte selber seine Medienstrategie durch die Anzeige mit der Überschrift „Wir machen Personaler glücklich.“ öffentlich.

Und plötzlich fiel es dem Autor dieses Reiseführers „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ wie Schuppen von den Augen. Und er lehnte sich glücklich zurück. Er war schlauer geworden. Und will darüber sprechen.

„Mache die Personaler glücklich!“ ist Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.

Ab diesem Zeitpunkt ist die Sachlage simpel, denn jetzt wird anhand dieser Regel entschieden, wer was wie und wann schreibt. Und wem das als Antwort noch nicht reicht, für den gibt es vier spezifische Glücksstrategien.

Glücksstrategie #1 („Umbewertung“): Mache glücklich, in dem Du etwas Negatives auf dem roten Teppich schön redest!

Natürlich gibt es Themen, die negativ belastet sind. Egal ob Leiharbeit, Entlassungswellen oder Ausbeutung von Praktikanten: Bei allem hat man ein schlechtes Gefühl. Umso besser, wenn honorige Personen mit wohlklingenden Titeln und handverlesenen Anzügen auf einer Gala-Veranstaltung belegen, dass doch alles gut ist. So erfährt der Leser beispielsweise, dass die „Generation Praktikum“ allenfalls „ein Begriff von gestern ist“.

Diese Aussage macht nicht nur die Unternehmen glücklich, die sich mit schönen Preisen für angeblich exzeptionellen Umgang mit Praktikanten schmücken dürfen. Sie sorgt vielmehr dafür, dass die ganze Personalerzunft als Leserkreis kollektiv mit sich und der Welt ins Reine kommt: Denn endlich ist Schluss mit den Vorwürfen vom DGB und den seltsamen Studien kritischer Universitäten, die den Unsinn von unterbezahlten Praktika und von Praktika nach dem Studium anprangern.

Glücksstrategie #2 („Selbstreferenz“): Mache glücklich, indem Du Personalern eigene Fehlbeurteilungen als empirische Realität verkaufst!

Typisch hierfür ist der Artikel eines Beraters, der deutlich zeigt, wie professionelles Glücklichmachen Personaler glücklich und Berater reich macht. Dieser prominente Berater befragt Personaler regelmäßig danach, welche Themen für sie zukünftig bedeutend sein werden und wo man sich bereits heute als gut im Sinne der Umsetzbarkeit einstuft. Beruhigend: Personalentwicklung ist wichtig, und wird gut beherrscht. Ebenfalls beruhigend: Diversity- und Generationenmanagement werden zwar nicht beherrscht, sind aber unwichtig. Diese Botschaften machen glücklich, weil sie die subjektive Auffassung der Personaler zur objektiven Wahrheit erhebt. Hier finden sich Personaler zwangsläufig wieder und stellen fest, dass das, was sie immer schon vermutet haben, wirklich wahr ist.

Glücksstrategie #3 („Zaubertrank“) : Mache glücklich, indem Du Personalern für große Probleme triviale Lösungen als wirkliche Lösung verkaufst!

Viele Unternehmen haben Probleme am IT-Arbeitsmarkt. Doch beruhigend: Ab sofort gibt es „Recrutainment“ als unterhaltendes Personalmarketing. Diese zündende Idee löst alle Beschaffungsprobleme und macht glücklich: IT-Nachwuchsprobleme sind wie eine Naturkatastrophe, an der man völlig unschuldig ist, für die es aber eine einfache Lösung gibt. Glücklich machen auch Erfolgsgeschichten vom Typ „anspruchsvolle Unternehmensziele, einfache Mittel“, in der die „Cultural Due Dilligence Tool-Box“ als Werkzeugkasten alle Probleme löst.

Glücksstrategie #4 („Wir-sind-Messias“) : Mache glücklich, indem Du die Gruppe der Personaler zum ultimativen Hoffnungsträger für gesellschaftspolitische Herausforderungen erklärst!

Diese Beiträge thematisieren ein spezifisches Problem und folgen der Betroffenheitsrhetorik. Ein mustergültiges Beispiel dafür ist ein Beitrag mit dem Titel „Revolution oder Resignation“. Er macht auf den ersten Blick nicht glücklich, da er mit den Schwierigkeiten im Bildungssektor ein real existierendes Problem anspricht. Bildung soll anders werden und Thomas Sattelberger ruft auf zu einem Marsch nach Berlin. Wer aber – und diese Frage wird nicht einmal angedeutet – hat denn die Bildungsreform in Deutschland immer wieder in die falsche Richtung getrieben? Wer hat denn die unselige Bologna-Reform in Deutschland durchgeboxt, die gruseligen Bachelor-Studiengänge flächendeckend eingeführt und die so genannten Hochschulreformen durchgesetzt? Wer hat denn alle Bildungsstufen immer auf unmittelbaren Unternehmensbezug gedrängt?

Die eigentlich (aber unausgesprochene) unbequeme Antwort: Das waren die deutschen Unternehmen mit ihren Personalern. Die schwarze Liste der Unternehmen und Personaler aus der Initiative „Bachelor Welcome“ zeigt genau, wer hier den schwarzen Peter hat. Gleiches gilt für die Flut von Initiativen, bei denen Unternehmen immer mehr über unternehmensgetriebene Hochschulräte Einfluss nehmen, und für Klammergriffe, wie zum Beispiel durch das Centrum für Hochschulevaluation, die deutsche Fakultäten zu phantasie- und lustlosen Legebatterien im Massengeschäft der Bildung machen. Und es gilt für Vorgaben, wie sie aktuell im Saarland umgesetzt werden, wo die Wirtschaftswissenschaft an der Universität abgeschafft und in eine von Unternehmen gesteuerte Fachhochschule verlegt wird.

Nein, über das alles wird nicht gesprochen und es gilt die frohe Botschaft, dass jetzt endlich die Wirtschaft vertreten durch die Personaler die deutsche Bildung retten muss. Die Personaler sind die Guten, die Mahnenden, die Rettenden und … die Glücklichen.

Was aber kann man tun?

Hier hilft ein Blick über die Grenze nach Österreich, wo man im Einklang mit europäischen Überlegungen an einer Regelung arbeitet, die klar macht, wie intensiv „Bildbearbeitung“ bei den makellosen Hochglanzfotos von jungen Models nachgeholfen hat. Verlangt wird also ein ausdrücklicher Hinweis darauf, ob und wie das Ergebnis aus dem Fotoshooting nachträglich geschönt wurde. Dies führt dann vielleicht einmal zu einer Ampellösung von Grün über Gelb bis Rot.

Daraus leitet der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ zwei seiner allseits geschätzten Gestaltungsvorschläge ab:

Vorschlag #1: Bei allen personalwirtschaftlichen Beiträgen soll ein Farbpunkt neben der Überschrift auf die Intensität der verabreichten Glücksdroge hinweisen.

Und um es noch klarer zu machen, gibt es einen weiteren Gestaltungsvorschlag, der letztlich wirklich alle Unklarheiten beseitigt.

Vorschlag #2: In diesem Punkt sollen die Anfangsbuchstaben U (Umbewertung), S (Selbstreferenz), Z (Zaubertrank) und M (Messias) die Zusammensetzung der Droge ausweisen.

Was bleibt als tiefschürfende und alles abschließende Erkenntnis? Die Zeit ist vorbei, in der singende Delphine die Personalarbeit kritisieren und über ein Titelbild „Jobperspektive HR: Der Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit“ diskutieren durften. Jetzt geht es ausschließlich um Glück. Also: „Macht’s gut und danke für den Fisch.“

P.S.:  Übrigens hat sich Douglas Adams in seinem zeitlosen und heuristisch wertvollen „Reiseführer per Anhalter durch die Galaxis“ auch mit der hier diskutierten Glücksthematik beschäftigt und auf den Glauben an eine Welt hingewiesen, „in der sie die Kugelschreibervorstellung eines glücklichen Daseins verwirklichen können. Damit war alles Friede, Freude, Eierkuchen.“

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