Unbestritten stellt Fachkräftemangel ein Problem dar. Was aber verblüfft, ist die teilweise falsche oder oft sogar unterlassene Berücksichtigung der Generation Z in dieser Debatte. So wird vieles letztlich zu einem Apfelkuchen ohne Äpfel. Kopfschütteln ist der zu simple Reflex, um Fassungslosigkeit auszudrücken. Wir brauchen eine Analyse. Und die liefert dankenswerter Weise unser bekannter Reiseführer durch die Arbeitswelt.
Eine bekannte personalwirtschaftliche Fachzeitschrift sucht nach Antworten auf „Fachkräftemangel in gewissen Mangelberufen, -branchen und -regionen“. Dazu werden Fragebogen verschickt und Artikel produziert. Denn natürlich ist es notwendig, sich das Thema Fachkräftemangel genauestens anzuschauen und von vielen Seiten zu betrachten.
Der Autor dieses Reiseführers durch die Arbeitswelt – immer auf der Suche nach Anomalitäten in der Arbeitswelt – bietet (was er nur sehr selten macht) dem Chefredakteur der Zeitschrift einen kleinen Artikel dazu an, wie sich Unternehmen im Umgang mit der Generation Z speziell vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel richtig beziehungsweise falsch verhalten.
Damit folgt er einer guten Tradition, wonach ungefähr alle zwei Jahre zwei Personalzeitschriften höflich von ihm eine Anfrage bekommen, ob nicht Interesse an Überlegungen dazu bestehen, wie denn die Generation Z anders tickt und ob man in der Personalarbeit nicht etwas umsteuern sollte.
Die Antwort ist bei diesen beiden Zeitschriften immer ein höflich-bestimmtes „Nein“, manchmal begründet mit Nichtexistenz oder Nichtrelevanz von Generation Z. Auch diesmal kam die unmissverständliche Absage: „Generationale Fragen [ … ] werden in der Befragung nicht erörtert.“
Eine Zeitschrift macht Personaler glücklich
Sicherlich kann man als Zeitschrift eine ökonomisch-plausible Strategie fahren und nur das publizieren, was Betriebe gerne hören, streng nach der Devise „Wir machen Personaler glücklich“. Gäbe es beispielsweise Probleme bei der Behandlung von Praktikanten in Unternehmen, so wird ein Artikel Personaler wieder glücklicher machen, der lauter zufriedene Praktikanten in den Mittelpunkt stellt.
Oder das Thema Generation Z: Für manche Unternehmen ist das ein eher schwieriges Terrain. Deshalb kommen Aussagen gut an, wonach es die Generation Z überhaupt nicht gibt. Denn ohne Existenz der Generation Z besteht weniger Notwendigkeit, irgendwas im Personalbereich zu ändern.
Aber zahlen nicht doch einige Betriebe Geld für eine Zeitschrift, weil sie glauben, einen seriösen Rat zu bekommen? Oder zumindest Hinweise auf Meinungsvielfalt? Was aber, wenn die Leser das irgendwann merken? Dann heißt es: Dumm gelaufen!
Jemand hat keine Ahnung von der Generation Z
Das Handwerk sucht dringend Mitarbeiter. Was aber machen die Marketingexperten in diesem Verband, die sich offenbar – wie der eben angesprochene Chefredakteur – lieber nicht mit so unnötigen Nebensächlichkeiten wie den Unterschieden zwischen den Generationen beschäftigen wollen?
Sie werben auf riesigen Plakaten mit der Aussage, wonach man bei einem Job im Handwerk vieles bekommt, nur ganz sicher keinen „9 to 5“-Job. Was also bekommt man: Arbeit auf Abruf? Arbeit Rund-um-die-Uhr? Am Wochenende? Am Abend?
Bei der Generation Z schrillen alle Alarmglocken und sie wird gründlich darüber nachdenken, ob für sie wegen seiner hier groß plakatierten „Keine-9 to 5“-Kultur das Handwerk als Arbeitgeber überhaupt infrage kommt. Mit der Generationsanalysebrille wird klar: Hier spricht der Verband ausschließlich die Generation Y (geboren ungefähr 1980 – 1994) an, deren Vertreter altersmäßig nur noch begrenzt als Auszubildende infrage kommen. Aber man verschreckt tendenziell die Generation Z (ab 1995 geboren), die darüber nachdenkt, einen soliden und traditionellen Beruf im Handwerk zu ergreifen. Also ganz sicher dumm gelaufen.
Eine Studie zur Jugend ignoriert die Jugend
Der aufmerksame Leser des Reiseführers durch die Arbeitswelt weiß, dass es Ingredienzen gibt, die helfen, auch in sogenannten Mangelberufen Arbeitskräfte in der Altersgruppe bis 25 Jahre für sich zu gewinnen. Was aber, wenn eine Studie zur Rekrutierung überhaupt nicht nach diesen Punkten fragt? Dann kommen diese Punkte auch nicht in einer Antwort vor. Aber Nichterfassen bedeutet nicht Nichtexistenz. Wenn ein Baum im Wald umfällt und niemand hört es, gibt es ein Geräusch? Ja! Und einen umgefallenen Baum. Die Generation Z hört man – wenn man hinhört. Wenn man nicht hinhört, wird man bald eine klare Aussage hören und merken: Dumm gelaufen.
Ein Forscher verwechselt „ist“ mit „soll“
Nehmen wir einen fiktiven Fragebogen zur Zuckerkrankheit und stellen folgende Frage: „Was sind die Essgewohnheiten von Zuckerkranken? Sahnetorte? Schweinebraten?“ Bei vielen Kreuzchen für Sahnetorte wird Sahnetorte zum Erfolgsrezept gegen Zuckerkrankheit erklärt – weil man zum einen aus der tatsächlichen Praxis auf gute Praxis schließt. Zum anderen hat man (analog zur Nichtbehandlung der generationalen Fragen) medizinische Fragen ausgespart.
Nicht alles das, was die meisten machen, ist automatisch gut. Sollte man nicht sogar alles anzweifeln, was solche Betriebe praktizieren, die unter unbesetzten Stellen leiden? Wir haben Fachkräftemangel, gleichzeitig empfinden frisch-gebackene Uni-Absolventen es als Herausforderung, einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Nicht gut für Generation Z. Aber mit zunehmender demografischer Lücke wird es immer gefährlicher für Unternehmen: Dumm gelaufen.
Ein Arbeitgeber beleidigt die Generation Z
Den wohl schönsten Fall zum Schluss. Die britische Armee hat Rekrutierungsprobleme, zielt ganz explizit auf die Generation Z und glaubt, Jugendliche würden Plakate mit der Aufforderung „SELFIE ADDICTS … Ihre Armee braucht Sie und Ihr Selbstvertrauen“ gut finden. Produziert wurden Plakate auch zu den Zielgruppen Phone Zombies, Me Me Me Millennials, Class Clowns, Binge Games, Snow Flakes.
Sicherlich wird hier die Generation Z angesprochen, allerdings nicht mit ihren wirklichen Merkmalen, sondern mit absonderlichen Fremdbildern. Das Ergebnis war zwar ein breites internationales Presseecho. Hinzu kommen sicherlich Preise für innovative Werbung. Bei der Generation Z dürfte diese Idee aber auf krasse Ablehnung stoßen? Wer will sich schon auf die „Anzeige mit dem Klassen-Clown“ bewerben? Auch die (natürlich nicht repräsentative) Umfrage des Fernsehsenders RT brachte durchwegs negatives Feedback zu dieser britischen Kampagne.
Was aber wirklich ärgerlich ist: Gerade für die Generation Z ist die britische Armee (wie auch die deutsche Bundeswehr) ein optimaler Arbeitgeber, da er eindeutig klare Strukturen und Sicherheit (zumindest bezüglich des Arbeitsplatzes) bietet. Insgesamt wirklich dumm gelaufen!
P.S. Das rätselhafte Nichterkennen von tatsächlichen Gegebenheiten entspricht dem, was Douglas Adams in seinem Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“ beschreibt, wenn es wegen einer großen Staubwolke nie was am Himmel zu sehen gab: „Es ist wie ein blinder Fleck, der sich über 180 Grad von einem Horizont zum anderen erstreckt.“ Gut gesehen.
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