Standardlebenslauf als Paradoxie?

8. Juni 2007

Manchmal begegnet dem Berichterstatter bei seiner Reise durch die Arbeitswelt wahrlich Erstaunliches. Und manchmal birgt dieses Erstaunliche wahrlich erstaunliche Konsequenzen für diejenigen, die mit oder ohne „Qual der Wahl” auf Jobsuche sind. Heute wundert sich der Anhalter über den Standardlebenslauf, der plötzlich wieder aus der Vergangenheit auftaucht und eine zentrale Rolle in der Personalarbeit von so renommierten Firmen wie der Lufthansa einnimmt.

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Es ist eigentlich nur eine kleine Nachricht – die auch nichts mit dem Hinweisschild aus den Dünen von Oregon zu tun hat: Einige Großunternehmen haben eine Initiative gestartet, bei der es um eine einheitliche Erfassung von Lebenslaufdaten geht. Der Vorteil für Unternehmen: Lebensläufe können noch standardisierter analysiert werden. Der Vorteil für Bewerber: Sie brauchen ihren Lebenslauf nur einmal zu schreiben und können ihn dann bei beliebig vielen Firmen verwenden.

Solche Ideen sind in der Welt der Internet-Standardisierung („HR-XML”) üblich. Trotzdem birgt dieser Vorschlag ein bemerkenswertes (aber offenbar übersehenes) Diskussionspotenzial.

Doch zunächst der Eintrag in den Reiseführer: Ein Standardlebenslauf ist (1) ein verpöntes Dokument aus der guten alten Zeit, in der sich Bewerber bewusst für ein Unternehmen entschieden hatten und alles (inkl. eines mühsam auf das Unternehmen zugeschnittenen Lebenslaufes) daran setzten, dort hin zu kommen; (2) eine erstaunlicherweise im fortgeschrittenen Internetzeitalter von Firmen wie der Lufthansa initiierte Norm, nach der alle Bewerber bei allen Unternehmen den gleichen auf Standardaspekte reduzierten Lebenslauf verwenden sollen; (3) ein bereits alleine durch seine normative Existenz wichtiger Indikator für die standardisierende Unternehmenskultur der diese Forderung aussprechenden Unternehmen.

Der Berichterstatter erinnert sich: In jedem Bewerbertraining wurde den Kandidaten früher eingetrichtert, nicht mit Standardlebensläufen zu argumentieren. Vielmehr sollte man seinen CV so schreiben, dass gerade die Punkte enthalten sind, die zum Unternehmen seiner Wahl passen. Zudem sollte man versuchen, möglichst authentisch zu arbeiten.

Wieso jetzt die Kehrtwendung? Unternehmen wollen Kosten sparen und Bewerbungen automatisch verarbeiten. Auf die Konsequenz, dass durch solche Systeme die Bewerbungszahl drastisch zunimmt, hat dieser Reiseführer schon an anderer Stelle unter dem Stichwort  „Zur Fatalität flutartiger Absagen” hingewiesen. Jetzt wird es noch einfacher, jede Bewerbung automatisch an 500 Unternehmen zu schicken, die dann wiederum automatisch basierend auf dem Standardlebenslauf ihre Absagen schreiben.

Natürlich erstaunt es, dass Unternehmen, die für eine professionelle Personalarbeit stehen wollen, ihr Heil in derartigen Normierungen sehen. Authentische Bewerbungen werden bei diesen Unternehmen nicht mehr möglich und „kantige Bewerber” von vorneherein chancenlos sein. Aber vielleicht wollen die Unternehmen, die sich dieser Initiative anschließen, genau das erreichen. Sollte dies so sein, wird folgender Ratschlag des Reiseführers für Bewerber relevant: Bewerber, prüfe genau! Vielleicht sucht ein Unternehmen, das auf Standardlebensläufe setzt, ausschließlich den Standardmitarbeiter!

Unternehmen sollten über folgende Fragen nachdenken: Ist dieses „German Standard CV (GSCV)” wirklich der Weisheit letzter Schluss? Hilft oder stört uns das bei der Bewerberdiagnostik? Kann nicht moderne IT wesentlich mehr als altertümlich-standardisiert Formulare abzuarbeiten?

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P.S.: Auch in diesem Fall sollte man sich einige Minuten in den Klassiker „Per Anhalter durch die Arbeitswelt” von Douglas Adams vertiefen, wo man dann rasch auf folgende Textpassage trifft: „Arthur schaute erschrocken auf: ´Das ist vielleicht eine Schinderei. Das einzige Wort, das sie kennen, ist <Grunz>, und das können sie nicht einmal buchstabieren.` Er seufzte und lehnte sich zurück. ´Wir müssen ihnen Mut machen weiterzukommen. Sich zu entwickeln! `rief Arthur aufgebracht.”

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