Roter Teppich für Bewerber

2. November 2007

Langsam kommt es wieder in Mode: Das Red Carpet Recruiting, bei dem Bewerber wie Hollywood-Stars umsorgt werden. Zwar nicht immer mit Segelyacht, Limousine und  5*****Hotel, wohl aber eine Rundumversorgung, bei der man sich als Bewerber wirklich wichtig fühlt. Wie man sich auf dem roten Teppich verhält und wo man auch mal unter den Teppich sehen sollte, verrät diese Folge des Reiseführers „Per Anhalter durch die Arbeitswelt”.

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Für Bewerber brechen wieder goldene Zeiten an. Die Unternehmen suchen Mitarbeiter, teilweise sogar händeringend. Auch wenn sie es nicht zugeben wollen: Ihre Personalplanung hat in sehr vielen Fällen nicht rechtzeitig die Gefahr eines nicht gedeckten Personalbedarfs erkannt und jetzt wird es für die Unternehmen schwierig. In dieser Situation fängt man an, nicht nur verstärkt auf Frauen zu setzen (siehe dazu den Eintrag “Was Frauen wollen“), sondern auch eine Erfindung aus der New Economy wieder zu beleben, nämlich das Red Carpet Recruiting.

Zunächst einmal der Eintrag in den Reiseführer: „Unter Red Carpet Recruiting (RCR) versteht man (1) einen Schritt im Bewerbungsprozess, bei dem das Unternehmen den Kandidaten nach Strich und Faden umsorgt, (2) eine Erfindung aus der New Economy und (3) eine Kaffeefahrt für Hochschulabsolventen.”

Gerade weil dies für Bewerber eine durchaus angenehme Situation ist, sollte man sich die drei Phasen eines derartigen Bewerbungsprozesses näher anschauen – und selbstverständlich die Tipps des Reiseführers berücksichtigen.

Tipp 1 zum RCR: „Reisender durch die Arbeitswelt, wenn Du einen ausgerollten roten Teppich siehst, prüfe, ob hier nicht lediglich ein schwarzer Mitarbeiterabbauplanet zum Teppichhändler mutiert. Konsequenz: Entweder davonlaufen. Oder aber zumindest genau nach-/hinterfragen!

Ob es sich um einen schwarzen Mitarbeiterabbauplaneten handelt, kann man relativ leicht „er-googeln” oder man erkundigt sich im Umfeld. Bei diesen Unternehmen ist das RCR im Regelfall Kompensation für falsche Personalplanung. Man kann also genauso rasch aus dem Unternehmen fliegen, wie man hineingekommen ist. Will man sich wirklich mit so einem Betrieb einlassen, erstens ganz offensiv nachfragen, warum man erst Mitarbeiter (natürlich sozialverträglich) feuert, und dann wieder Mitarbeiter einstellt. Zweitens sollte man sich der Gefahr bewusst sein, dass auf Arbeitgeberseite radikal gelogen und das Prinzip „Information Diametrales” (nachzuschlagen unter “Personalmarketing für Betroffene“) angewendet wird.

Tipp 2 zum RCR: „Reisender durch die Arbeitswelt, wenn Du auf dem roten Teppich läufst, dann ist dies ein Schaulaufen mit Schiedsrichtern. Konsequenz: Entweder davonlaufen. Oder aber mitspielen, aufpassen und den Prozess umdrehen!

Das Laufen auf dem roten Teppich ist Teil der Personalselektion und insgesamt ein einziges Assessment Center. Es soll Unternehmen gegeben haben, bei denen es schon ausschlaggebend war, wie man das Weinglas gehalten hat. Wenn man allerdings davon ausgeht, dass die Unternehmen wirklich Mitarbeiter brauchen, dann kann man das Spiel umdrehen und selber ein Assessment Center veranstalten: Wie kümmert man sich um Sie, wie authentisch ist das Unternehmen, hat es ein klares Employer Branding, wie ehrlich werden Fehler der Vergangenheit erklärt und so weiter.

Natürlich gibt es immer wieder die gleichen Sprüche: „Wir sind keine Berater in Nadelstreifen.” „Bei uns geht es um den gesamten Prozess.” Oder: „Wir legen Wert auf dauerhafte Beziehungen”. Diese Sprüche sind selbstredend wertlos.

Dazu ein Hinweis: Wenn Sie beim RCR auf Manager stoßen, die mit Ihnen reden, Sie evaluieren und auch sonst wichtig erscheinen, dann prüfen Sie immer, ob diese wirklich zum entsprechenden Unternehmen gehören. Es können auch vor- und zwischengeschaltete Personalberater sein. Wenn nicht die ganze Party nur aus solchen Personen besteht, sollten Sie höflich und bestimmt nach „richtigen” Entscheidungsträgern suchen.

Tipp 3 zum RCR: „Reisender durch die Arbeitswelt, wenn Du nach dem Gang über den roten Teppich im Unternehmen eingestellt wirst, erwarte das Gegenteil. Je roter der Teppich, umso schwarzer die Arbeitswelt. Konsequenz: Entweder davonlaufen. Oder aber durchbeißen und oben ankommen.”

Solide Unternehmen, die auch auf den Rankings ganz oben stehen, praktizieren in der Regel kein RCR. Sie haben und bekommen ausreichend Mitarbeiter. Deshalb Vorsicht: Ab Woche 5 kann es durchaus anfangen, enttäuschend zu verlaufen. Aber spätestens hier kommt der Merksatz von Douglas Adams zum Zuge: „Don’t panic!” Wenn man weiß, was auf einen zukommt, kann man gegensteuern. Aber zunächst sollte man sich über die vielen Goodies freuen, die RCR-Unternehmen beim Einstieg verschenken.

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P.S.: Gerade bei Red Carpet Recruiting sollte man an Douglas Adams und seinen Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis” denken. Denn spätestens dann kommt man auf die Idee der Relativität sowie auf den Trick mit der Farbverschiebung. Beides liest sich ungefähr wie folgt: „Das Problem wird sich von selbst erledigen. Auch wenn es einem zunächst einen fürchterlichen Kater eingebracht hatte! Arthur Dent besah sich im Kleiderschrankspiegel. Er steckte die Zunge raus. »Gelb«, dachte er. Das Wort gelb ging ihm im Kopf herum und suchte nach einer Gedankenverbindung. Fünfzehn Sekunden später war er draußen und bei einem großen gelben Bulldozer”.

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