Die kurzfristige Woge der Überraschung über den Weggang von Ralf Rangnick beim TSG 1899 Hoffenheim hat sich inzwischen gelegt. Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ möchte vor diesem Hintergrund auch nicht zum Fußballmagazin mutieren und Trainerwechsel kommentieren. Nein, Ralf Rangnick soll uns heute als Ratgeber zum Thema „Wie mache ich Karriere“ dienen.
Ja, Ralf Rangnick ist nicht mehr im Amt und muss jetzt von seinem Fernsehsessel aus zuschauen, wie Hoffenheim inzwischen sogar wieder gegen Schalke 04 gewinnt. Erstaunlich: So richtig fehlt Ralf Rangnick niemandem. Denn offenbar war sein Abgang gar nicht so falsch, wie er auf den ersten Blick vielleicht aussah. Vielleicht war er in Wirklichkeit auch nicht einmal das, als was er in der Öffentlichkeit erschien.
Der Reiseführer durch die Arbeitswelt definiert: „Phasensynchronisierung ist (1) keine aus der Physik bekannte Abstimmung zwischen den Amplituden einer Wechselstromspannung, sondern (2) ein aus der Karriereforschung bekanntes Phänomen, bei dem (3) Phasen der Unternehmensentwicklung in Einklang gebracht werden mit Phasen der individuellen Lebensplanung, wodurch sich (4) anders als in anderen Ratgebern postuliert deutliche (5) Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen ergeben“.
Erinnern wir uns: Ralf Rangnick wurde 2006 von Dietmar Hopp nach Hoffenheim geholt, um eine Fußballmannschaft aus der Regionalliga unmittelbar in die Champions-League zu führen. Das hat fast geklappt und das Erfolgsmärchen hätte fast ein Happy-End bekommen. Und genau in diesem „fast“ liegt der zentrale Punkt: Denn um ganz nach oben zu kommen, hätte Hoffenheim weiteres Geld gebraucht. Das war der Wunsch von Ralf Rangnick, wobei sein Wunsch aus seiner Sicht verständlich war (Ralf Rangnick als Star-Trainer und „Fußball-Professor“ sucht eine Star-Kulisse), aber dummerweise das Geld dazu von Dietmar Hopp kommen sollte.
Dietmar Hopp wiederum sieht die Wachstumsphase von Hoffenheim als beendet an und will einen finanziell ausgeglichenen Verein im Mittelfeld der Bundesliga stabilisieren – ein weniger anspruchsvolles Ziel, das aber immerhin noch so anspruchsvoll ist, dass Vereine wie Köln und Bremen dieses offenbar nicht unbedingt immer zu erreichen scheinen.
Damit passen Unternehmensphase (von Hoffenheim) und Lebensphase (von Rangnick) nicht zusammen: Die Konsequenz liegt auf der Hand und ist im Übrigen unabhängig davon, ob irgendein Transfer (Gustavo) von vornherein mit dem Trainer abgestimmt war.
Erster Tipp für Mitarbeiter: „Love it, Change it, or Leave it! „
Das klingt jetzt alles simpel. Ist es aber nicht. Jürgen Klinsmann hat bei Bayern München den Fehler gemacht, Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die eigentlich nicht akzeptierbar waren. Er hat mit etwas gelebt, mit dem er nicht hätte leben dürfen und leben können. Als er dann (im Übrigen mit wesentlich besserer Leistung als van Gaal) auf die Straße und in den Sumpf des öffentlichen Spotts geworfen wurde, nützte ihm der Hinweis auf die miserablen Arbeitsbedingungen nichts mehr.
Van Gaal hat es richtiger gemacht. Er hat die Arbeitsbedingungen zu seinen Gunsten geändert und selbst Uli Hoeness mehr oder weniger ruhig gestellt. Jetzt ist er in einer Position, in der er seine Ideen (was immer die auch sein mögen) verwirklichen kann.
Ralf Rangnick hat es auch richtig gemacht. Er hat Hoffenheim erst geliebt. Als dann die Arbeitssituation anders wurde, ist er gegangen, weil dieses Hoffenheim nicht mehr zu seiner Lebensplanung gepasst hat.
Zweiter Tipp für Mitarbeiter: „Nichts lieben, mit dem man nicht leben kann!“
Wenn das Arbeitsumfeld nicht passt, nützt es auch nichts, wenn man sich einredet, „alles ist in Ordnung“. Eine derartige Denkhaltung mit dem damit verbundenen Selbstbelügen führt allenfalls zu Schizophrenie, zu Depression und zu einer gestörten Wahrnehmung der Realität. Deshalb heißt es dann nur mehr „Change it or leave it!“. Da Ralf Rangnick ersteres nicht konnte, blieb nur letzteres.
Nun wird sicherlich der durchaus berechtigte Einwand kommen, dass Verändern und Verlassen in der Realität nicht so einfach sind. Es gibt Unternehmen mit repressiven Strukturen, in denen jedes gedankliche Schrittchen in Richtung auf Veränderung schon als Majestätsbeleidigung aufgefasst und mit virtueller Todesstrafe belegt wird. Es gibt auch gerade für ältere Mitarbeiter Situationen, in denen ein Wechsel – egal, ob innerhalb oder ob zwischen Unternehmen – schwer bis unmöglich ist. Trotzdem hat der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ eindeutig und im Sinne eines absoluten Insider-Tipps einen abschließenden Hinweis parat.
Dritter Tipp für Mitarbeiter: „Wenn Love it ausscheidet, immer 100% der Energie auf Change it und Leave it setzen – egal, wie unmöglich beides erscheint. Und sukzessive die Energie von Change it auf Leave it setzen!“
Unternehmen werden – auch wenn sie sich jetzt teilweise feudalistisch-arrogant geben – in den nächsten Jahren zunehmend gute Mitarbeiter brauchen. Nur diese guten Mitarbeiter – Sie! – lesen diesen Reiseführer! Für Sie gilt im Zweifelsfall eindeutig: Folgen Sie dem Beispiel von Ralf Rangnick!
P.S.: Im allseits bekannten Vorbild für den hier vorgestellten Reiseführer gibt es noch eine weitere Alternative. Dort gibt es nämlich jemanden, der hat eine „völlig neue Karriere vor sich, indem er einfach für Geld Gegenden meidet.“ Also: Vielleicht bekommt Ralf Rangnick eine weitere Million dafür, dass er nicht mehr ins Stadion von Hoffenheim geht.
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