Praktikanten als Anhalter auf der Karriere-Rutschbahn

22. September 2006

Warum fliegt man nach Berlin, um dann als Anhalter durch die Arbeitswelt einen Eintrag in den Reiseführer durch die Arbeitswelt über die Generation Praktikum zu machen. Die klare Antwort: Dafür gibt es natürlich keinen Grund. Außer, dass der Flughafen Berlin Tempelhof ein wunderschönes Relikt aus der guten alten Zeit ist, die zwar nicht so gut war, wohl aber klar gegliedert und strukturiert. Und außer, dass mir morgen früh sicherlich eine junge Betreuerin die Referentenmappe aushändigen wird und diese Betreuerin sicherlich eine Praktikantin ist. Spätestens jetzt sind wir beim Thema.

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Der Reiseführer Per Anhalter durch die Arbeitswelt definiert Praktikum als (a) während der Ausbildung oder (b) nach der Ausbildung zu absolvierende Tätigkeit, die generell eher schlecht bezahlt ist und entgegen der offiziellen Verlautbarung vor allem bei (b) oft überhaupt nicht der Qualifikation sondern nur dem Lohndumping dient.

Über Praktika, vor allem nach dem Studium, ist schon viel geschrieben worden: von mir, von anderen und auch an ganz anderen Stellen.

Der Anhalter durch die Arbeitswelt fragt: Wer hat unmittelbar nach dem Praktikum bei dieser Firma auch einen Job bekommen und was waren die speziellen Faktoren, warum das geklappt hat? Und natürlich umgekehrt: Wer hat trotz eines Praktikums bei einer Firma dann dort keinen Job bekommen? Die Zahl derer, die nach dem Studium quasi erzwungenermaßen ein Praktikum absolvieren, scheint zu steigen  – ein Trend, der aber durchaus bald beendet sein kann. Und das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass ein Zuviel an Praktika nach dem Studium den Lebenslauf zerstört, denn …

… Der Reiseführer per Anhalter durch die Arbeitswelt rät nur dann zu einem Praktikum nach dem Studium, wenn (a) im Studium kein Praktikum gemacht wurde, (b) das Praktikum genau die nachweisbare Interessenlage des Absolventen trifft, (c) es gut bezahlt und (d) das erste Praktikum nach dem Studium ist, das auch (e) nicht länger als 6 Monate dauert.

Je mehr dieser Bedingungen nicht erfüllt werden, umso eher ist das Praktikum karriereschädigend. Und mit jedem weiteren Praktikum werden sich die Chancen auf einen „richtigen“ Arbeitsplatz verringern. Das Ergebnis sind immer schlechtere Praktika und das Rutschen auf der Karriererutschbahn beginnt – und nur in den seltensten Fällen rutscht man nach oben.

Zudem signalisiert der Praktikant, dass er erstens für eine „richtige Stelle“ nicht genommen wurde und zweitens „auch für ein Praktikum zu haben ist“.

Gerade darin liegt eine große Gefahr. Man bewirbt sich auf eine „richtige“ Stelle und bekommt dann ein Praktikum angeboten – und nimmt das dann auch noch an (und beginnt zu rutschen).

Der Reiseführer per Anhalter durch die Arbeitswelt rät Absolventen, NIE eine Stelle als Praktikum zu akzeptieren, wenn in diesem Zusammenhang vorher eine „richtige Stelle“ zur Diskussion stand. Denn (a) signalisiert man einen niedrigen Marktwert und (b) ändert das Unternehmen vielleicht seine Meinung, wenn man „nein“ sagt.

Der Anhalter durch die Arbeitswelt sucht Erfahrungen mit „auf  Job beworben, und dann Praktikum angeboten!“

Was aber tun, wenn man zunächst keine angemessene Stelle und allenfalls ein Praktikum findet? Hier gilt: Man kann sich entweder ernsthaft um Stellen bewerben oder aber ein Praktikum machen. Anders ausgedrückt: Während einer Praktikantentätigkeit kann man sich nicht erfolgsversprechend bewerben.

Deshalb rät der Reiseführer durch die Arbeitswelt, sich lieber intensiv mit dem Bewerbungsvorgang und dem Wunschunternehmen zu beschäftigen – und das im Extremfall mehrere Monate – aber während dieser Zeit kein Praktikum zu machen. Und falls dies finanziell nicht funktioniert, lieber versuchen, anderweitig kurzfristig Geld zu verdienen.

Zu dem, was „intensiv beschäftigen“ heißt, wird es einen weiteren Tagebucheintrag geben. Demnächst, wenn sich für den Anhalter durch die Arbeitswelt wieder ein Zeitfenster öffnet.

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P.S.: Ansonsten gilt was Douglas Adams schon in seinem ursprünglichen Buch „Anhalter durch die Galaxis“ als Information für diejenigen geschrieben hat, die ein Raumschiff unfreiwillig verlassen müssen. Danach könne man im luftleeren Raum ungefähr 30 Sekunden überleben, wenn man vorher tief Luft geholt hat. Weiter heißt es jedoch, dass die Chancen innerhalb dieser 30 Sekunden von einem anderen Raumschiff aufgelesen zu werden eins zu zwei hoch zweihundertsiebenundsechzigtausendsiebenhunderteins stehen. Es gibt also reellen Grund zur Hoffnung.

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