Der Berichterstatter genießt einen der typisch-schönen Nachmittage im Mai, an denen man den Sommer schon spürt, das Blau des Himmels als intergalaktische Innovation interpretiert und eigentlich nicht viel mehr machen möchte, als einfach und ohne Arbeit das Leben auszukosten. Allenfalls zufallsbedingtes Zeitungslesen und zielloses Surfen im Internet scheinen erlaubt.
Doch dann baut sich langsam ein seltsames Gefühl auf. Irgendetwas stimmt nicht. Egal, ob eine personalwirtschaftliche Fachzeitschrift <der Name spielt keine Rolle>, eine große Tageszeitung oder diverse Internetseiten: Überall der gleiche ….. Fehler! Und jetzt will auch noch ein Minister in Berlin basierend auf diesem Denkfehler flächendeckend über entsprechende „Service-Center” dafür sorgen, dass wir in Deutschland eine einheitliche Personalpolitik bekommen.
Doch erst zum Pistazieneis, das in der Überschrift angekündigt wurde < zum Minister und seiner gefährlichen Idee kommen wir in einem späterem Reiseführereintrag > !
Misst man im Monat Juni jeden Tag den Eiskonsum eines Strandcafes in Sylt, so könnte sich beispielhaft folgender Verlauf ergeben:
500 – 700 – 1100 – 210 – 300 – 800 – 600 (Kugeln pro Tag) und so weiter, insgesamt 30 Werte.
Zählt man jetzt für die gleichen Tage die Anzahl der Sonnenstunden pro Tag, so kommt man zu einer Information, die etwa wie folgt aussieht:
3 – 5 – 13 – 4 – 0 – 6 – 4 (Stunden) und so weiter, wieder 30 Werte.
Man sieht also durchaus einen Zusammenhang. Der normale Mensch würde sagen: Je mehr, Sonne, umso mehr Eiskugeln. Das ist richtig, aber es gibt auch eine andere Argumentation:
Jetzt wird es richtig schwierig – aber bitte trotzdem weiterlesen.
Starker Konsum von Pistazieneis verursacht Sonnenschein!
41% der Varianz der Sonnenscheinstunden lassen sich durch den Genuss von Pistazieneis erklären.
Spätestens jetzt ist klar, was eigentlich von Anfang an klar sein sollte: Diese Schlussfolgerungen sind einfach falsch und völliger Quatsch.
Denn: Natürlich hängt Sonnenschein nicht vom Eiskonsum ab. Die Kausalität geht andersherum.
Nur ist die Fähigkeit, einen solchen Unsinn zu identifizieren, in der Arbeitswelt nicht so sehr verbreitet. So kursieren gegenwärtig durch Medien, Beraterfirmen und mindestens ein Bundesministerium in etwa folgende Sätze, die auf den ersten Blick wirklich schön klingen:
Mitarbeiterfreundliche Personalarbeit verursacht Unternehmenserfolg.
41% des Unternehmenserfolges lassen sich durch mitarbeiterfreundliche Personalpolitik erklären.
Also: Je besser man die Mitarbeiter behandelt, umso besser geht es dem Unternehmen.
An diese Sätze möchte man sehr (!) gerne glauben und vielleicht stimmen sie ja auch. Und deshalb jubelt man, wenn einem der „wissenschaftliche Beweis” versprochen wird.
Nur leider: Der wissenschaftliche Beweis ist nicht mehr als Pistazieneis-Logik, die nicht hinterfragt wird.
Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt” definiert dementsprechend: „‚Pistazieneis-Logik’ ist (1) der völlig falsche Rückschluss eines zeitgleichen Zusammentreffens von Ereignissen auf Kausalität, (2) ein cleverer Verkaufstrick von Beratern oder Bundesministerien und (3) etwas, woran man glaubt, weil man gerne daran glauben möchte.”
Natürlich beeinflusst Mitarbeiterorientierung den Unternehmenserfolg. Nur: Leider lässt sich das nicht in dem Umfang durch die Zahlen belegen, die gegenwärtig von einem „großartigen Arbeitsplatzforschungsinstitut mit psychologischer Basis” immer wieder überall verkündet und abgedruckt werden.
Der Kongress jubelt doch der Kaiser ist nackt!
Noch schlimmer: Kann nicht die Wirkung genau andersherum sein, wonach nur besonders diejenigen Unternehmen, denen es besonders gut geht, ihre Mitarbeiter besonders gut behandeln??
Vielleicht sollte man einmal alle Journalisten und Praktiker mit einem Babelzahlenfisch ausstatten, damit sie mittels dieser Übersetzungshilfe diese scheinbar großartigen Arbeitswerte als das interpretieren können, was sie sind – nämlich zumindest in ihrer statistischen Implikation völlig wertlose Werbung für (teuere) Beratungsleistungen.
Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt” definiert dementsprechend: „Ein Babelzahlenfisch ist (1) ein unsichtbares Wissensmodul, das (2) – einmal im Kopf eingepflanzt – alle statistischen Aussagen auf ihre wirklich belegbare Aussage reduziert und dem (3) vor allem von einigen amtsbekannten Beratungsfirmen der Ausrottungskrieg angesagt ist”.
Früher schloss der Babelzahlenfisch seine Übersetzung ab mit dem für Nicht-Statistiker kryptischen Satz: „Korrelation bedeutet nicht Kausalität und ohne bewiesene Kausalität ist auch eine erklärte Varianz’ aussagelos”. Obwohl natürlich weiterhin richtig, lassen neue Versionen des Babelzahlenfisches diesen Satz weg. Dies führt dazu, dass bei den wunderschönen Pistazieneis-Vorträgen der eloquenten Pistazieneis-Referenten ein mit einem Babelzahlenfisch ausgerüsteter Zuhörer überhaupt nichts mehr hören würde, weil letztlich auch nichts Übersetzungsfähiges gesagt wird.
Alles das ist traurig, ist gefährlich, ist teuer aber leider nicht zu ändern!
An dieser Stelle kommt die Quizfrage für die Leserinnen und Leser dieses Reiseführers. Was sagt uns der Babelzahlenfisch, wenn er folgenden Satz hört: „Tote Menschen im Sonntags-Tatort ziehen auf magische Weise Pistolenkugeln an, weil viele Leichen mit Kugeln im Körper gefunden werden”?
Unter den richtigen Einsendungen wird – das Klären der Transportfrage vorausgesetzt – mindestens eine Kugel Pistazieneis verlost. Gleiches gilt für diejenigen Journalisten und Bundesminister, die sich dazu bekennen, in dieser Hinsicht einem Irrtum erlegen zu sein – wahrscheinlich aber auch nur, weil sie nicht früher im Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt” nachgeschaut und die Grundlagen zum Hinterfragen vermeintlicher Wahrheit gelesen haben.
P.S.: Für alle, die sich noch einmal den originalen Ursprung des Babelfisches aus „Per Anhalter durch die Galaxis” in Erinnerung rufen wollen, als kleine Serviceleistung das entsprechende Zitat des unübertrefflichen Douglas Adams: „Der Babelfisch ist klein, gelb und blutegelartig und wahrscheinlich das Eigentümlichste, was es im ganzen Universum gibt. Er lebt von Gehirnströmen, die er aber nicht seinem jeweiligen Wirt, sondern seiner Umgebung entzieht. Der Nutzeffekt der Sache ist, dass man mit einem Babelfisch im Ohr augenblicklich alles versteht, was einem in irgendeiner Sprache gesagt wird.”
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