Zunächst einmal eine glasklare Klarstellung: Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ hat an diversen Stellen immer wieder den unverrückbaren Nachweis geführt, dass Jürgen Klopp mit Abstand der genialste und beste Trainer der Fußball-Bundesliga ist. Dieser Reiseführer hatte auch bereits im Mai 2012 vorhergesagt, dass der BVB 2013 ins Champions-League-Finale kommen wird und auf einen glorreichen Sieg getippt, der ja auch fast eingetreten wäre. Nur als Jürgen Klopp nach dem Ausfall des nach München wechselnden Mario Götze praktisch ohne sein kreatives Gehirn dastand, und Dante dann doch nicht die rote Karte bekommen hatte und …… , dann wurde es natürlich in London mehr als schwer.
Die Qualitäten von Jürgen Klopp stehen nicht zur Diskussion.
Was aber zur Diskussion steht ist die Frage, wie es mit Jürgen Klopp nach dieser Niederlage und dem nicht-gegebenen Tor von Hummels weitergeht. Denn was ist seine Zukunft beim BVB? Unter dieser Frage schlummern Konflikte, die etwas mit Perspektive, mit Loyalität und mit Motivation zu tun haben. Dabei geht es nicht um ein Tor, durch das jetzt plötzlich alles falsch oder richtig ist. Es geht um eine Situation, in der man durchaus einmal diskutieren kann, was denn jetzt für Jürgen Klopp falsch oder richtig wäre.
Hilfreich in diesem Zusammenhang ist zunächst einmal die Vinkenliste, die der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ schon im Jahre 2008 anlässlich der Fußball-EM entdeckte:
„Vinkenliste ist laut Definition von 2008 die (a) nach dem holländischen Schiedsrichter Pieter Vink benannte Liste, nach der (b) auf dem Fußballfeld und (c) in der Arbeitswelt grundsätzlich (d) bestimmte Gruppierungen gegenüber anderen bevorzugt werden und (e) sich letztere durch den Ärger über diese Benachteiligung selbst noch mehr Schaden zufügen.”
Kurz danach findet sich im damaligen Beitrag folgender Absatz: „Und dass in der Bundesliga Bayern München in der Vinkenliste oben und Nürnberg unten steht, weiß genauso jeder, wie jeder die Entstehung einer solchen Liste versteht: Welcher Bundesligaschiedsrichter will sich den Zorn von Uli Hoeneß zuziehen und von ihm mit einem Pfeifverbot belegt werden? Dann schon lieber in der 94. Minute einen meisterschaftsentscheidenden Freistoß wenige Meter vor dem gegnerischen Tor pfeifen…. .“
Damals war es Markus Merk, dessen Ruhm ihn dann bis zum Sky-Kommentator führte. Und jetzt gibt es Florian Meyer, der seiner bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend geglückten Karriere mit dieser Fehlentscheidung den prägenden Akzent setze: In München wird man ihm den Eintrag ins Goldene Buch und lebenslangen Stadionbesuch in der VIP-Lounge (mit Würstchen von Uli Hoeneß) schenken, in Dortmund lebenslanges Stadionverbot für sich und seine Familie.
Zu ergänzen ist, dass inzwischen Hoffenheim in der Vinkenliste ganz unten steht (in zwei Jahren aber durch RB Leipzig abgelöst wird), der FCB aber mit allerlei kuriosen Entscheidungen zu seinen Gunsten (auch beim CL-Finale in London) mit noch weiterem Abstand nach oben gerückt ist: Kein Schiedsrichter gibt ein Tor gegen den FCB, wenn er es irgendwie verhindern kann, und soweit vermeidbar wird auch Phillip Lahm keine gelbe oder rote Karte bekommen. Deshalb reichen Florian Meyer natürlich die rund 40 cm, die der Ball voll hinter der Linie war, nicht für den Torpfiff. Und wenn es vorher wirklich Abseits gegeben hätte, wäre schon da Schluss gewesen.
Eine solche Einstellung bei Schiedsrichtern und damit die Existenz der Vinkenliste kann man beklagen, man wird es aber nicht ändern können.
Aber das alles ist heute nicht das Thema. Denn der Reiseführer beschäftigt sich mit der Arbeitswelt.
Jürgen Klopp hat trotz seiner Qualität als Trainer dank Vinkenliste in einem wichtigen Spiel keine Chance gegen den FCB. Natürlich kann eine Mannschaft theoretisch auch gewinnen, wenn der Schiedsrichter gegen sie pfeift. Oder man manipuliert selber erfolgreich den Schiedsrichter: Nur ist Jürgen Klopp kein Uli Hoeneß, der praktisch ungestraft tun und lassen kann, was er will.
Jürgen Klopp wird weiter damit leben müssen, dass der FCB ihm jeden guten Spieler wegkauft, den er aufbaut. Vor allem so frühzeitig, dass dieser Spieler bereits zu Saisonende genau weiß, wer sein zukünftiger Arbeitgeber ist.
Jürgen Klopp wird in jedem Endspiel gegen den FCB auf seine wichtigsten Spieler verzichten müssen, weil sie praktisch schon vorher auf die Gehaltsliste des FCB gesetzt wurden. War in diesem Zusammenhang die Entscheidung richtig, Robert Lewandowski in Berlin einzusetzen? Bezogen auf seine großartige Saisonleistung war sie richtig; angesichts seines grottenschlechten Spieles gegen den FCB im Pokalfinale, wo er mit mehr als nur einer angezogenen Handbremse herumstand, war sie natürlich vollkommen falsch: Jeder andere Spieler wäre besser gewesen.
Jürgen Klopp bräuchte einige radikale Verstärkungen, angefangen von der zu installierenden 3er-Kette bis hin zum Sturm. Beim Aufbau dieser Mannschaft wird aber der Abstand zum FCB mit jedem Tag größer. Nur: Zusätzlich zur Vinkenliste und allen anderen Ärgernissen hat der BVB auch deutlich weniger Geld als der FCB, ist also auch in dieser Hinsicht chancenlos.
Jürgen Klopp weiß das alles. Trotz seiner starken Rede vor der Mannschaft nach dem verlorenen Pokalfinale und den aufmunternden gelben Plakaten vom Auto-Sponsor bleibt aber völlig unklar, was Jürgen Klopp mit seinem BVB überhaupt noch erreichen kann? Will er wirklich wieder von Null anfangen, nur um zu wissen, dass im besten Fall wieder am Ende ein Vinkenlisten-Schiedsrichter vom Typ Florian Meyer vor ihm steht, der ihm den Sieg stiehlt?
Damit gibt es ein neues Konzept, das einen ins Grübeln bringt.
Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ definiert erstmalig: „Der Kloppsche Punkt ist auf der Karriereleiter (a) der Punkt, den eine Person einmal erreicht hat, der aber (b) nicht das Ende der Fahnenstange darstellt und der auch definitiv (c) nie wieder von dieser Person erreicht werden wird.“
So weit oben, wie Jürgen Klopp mit dem BVB jetzt steht, wird er nie wieder mit dem BVB kommen: weder in ein CL-Finale noch in die Nähe von Meisterschaft oder Pokal. Im nächsten Herbst ist für die CL in der Gruppenphase Schluss und in den Jahren danach wird der BVB maximal in der CL-Qualifikation landen. Alles andere wäre schön, ist aber unwahrscheinlich.
Das alles mag man bedauern und der Autor dieses Reiseführers bedauert dies genauso wie alle anderen Fans vom BVB. Natürlich ist die Vinkenliste nicht nur ein Fiasko für den BVB und Jürgen Klopp, sie ist fatal für den deutschen Fußball. Nur sie existiert: Jürgen Klopp mag wirklich ein Motivationskünstler sein, aber in dieser Situation der absoluten Chancenlosigkeit sich selbst noch irgendwie zu motivieren, ist praktisch ausgeschlossen.
Noch einmal zurück zur Vinkenliste und zum Beitrag aus dem Reiseführer von 2008: Damals wurde für den beruflichen Alltag vorgeschlagen, bei der Existenz derartiger Listen bewusst antizipierend zu agieren. Ganz clevere Zeitgenossen würden sagen: Ob man sich im Strafraum fallen lässt, hängt danach von der Position in der Vinkenliste ab – und damit liegen sie im wahrsten Sinne des Wortes auch nicht falsch.
Allerdings bleiben die Vinkenliste und die Liste der weiteren Probleme. Der damalige Hinweis ist daher durch einen Zusatz zu ergänzen.
Ratschlag für Opfer von Vinkenlisten und anderen Unwägsamkeiten: „Bei Erreichen des Kloppschen Punktes bitte von der Leiter steigen und ein anderes Spielfeld suchen.“
Da jeder Verein in Deutschland auf absehbare Zeit in der Vinkenliste unter dem FCB stehen wird, ist Deutschland für Jürgen Klopp keine Alternative – im übrigen ebenso wenig wie für irgendeinen anderen Trainer mit Siegeswillen. Also England oder Spanien? Ansonsten droht das traurige Ende nach dem Muster von Thomas Schaaf, denn die Loyalität von Fans und Vorstand ist in jedem Verein bedrohlich klein.
Deshalb wünscht der Reiseführer dem BVB in der Bundesliga und Jürgen Klopp im Ausland für die Zukunft alles Gute.
Vielleicht aber – und das wäre fantastisch – hat der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ trotz intensiver Recherche einen wichtigen Aspekt übersehen und es gibt noch einen unentdeckten „Magic Point“ bei Jürgen Klopp: Wenn dem so ist, dann bitte melden und eine Ergänzung zu diesem Reiseführer schreiben.
P.S.: Laut dem Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams gibt es noch eine andere Perspektive für eine prinzipiell chancenlose Mannschaft, wie man aus folgendem Dialog erkennt: Auf die Frage „Sehen Sie sich das Spiel von Arsenal heute Nachmittag an?“ hatte Ford eine klare Antwort: „Nein. Hat keinen Zweck.“ Darauf der Barmann: „Was denn, so eine ausgemachte Sache? Wirklich keine Chance für Arsenal?“ “Nein …”, sagte Ford, „… nur geht die Welt gleich unter.” “Gut für Arsenal, dann werden sie einmal nicht verlieren.”
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