Dass man ohne Führerschein nicht Auto fahren soll, liegt irgendwie auf der Hand. Auch mag es plausibel sein, wenn Lieferanten für Backzutaten eine zumindest rudimentäre Zertifizierung für Lebensmittel durchlaufen. Jetzt also eine neue Idee: das Väter-Audit! Was das ist und warum man sich nicht nur als Vater damit beschäftigen sollte, erfährt man in bewährter Form im Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“.
Es beginnt eigentlich ganz harmlos, denn schließlich geht es weder um Frauenquoten noch um Pirelli-Kalender. Wir sitzen im edel ausgestatteten Sitzungssaal. Vor uns stehen zwei Unternehmensberater – so richtige Berater, die sich unser Chef uns und sich einfach einmal gönnt. Auf der Tagesordnung steht „Väter-Audit“.
Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ definiert: „Ein Väter-Audit ist (1) keine Prüfung für Männer, ob sie Väter werden dürfen, sondern (2) eine Prüfung für Unternehmen, ob Arbeitsbedingungen für Väter im Interesse von (3) Frauen und (4) Kindern optimal gestaltet sind.“
Jetzt ist alles klar und wir sind bereit, intelligent und mit mutigem Geist kleine gelbe Punkte auf große Metaplan-Tafeln zu kleben: Fühle ich mich in meiner Rolle als Vater gut? Bin ich zufrieden? Ganz klar: Wir fühlen uns gut und wir sind alle weitgehend zufrieden. Die Berater runzeln die Stirn. Sind wir wirklich zufrieden? Sind unsere Frauen zufrieden? Und verbringen wir genug Zeit mit unseren Kindern?
Wir verzichten gutmütig auf die Definition von „genug“. Außerdem sitzen hier, abgesehen von der Initiatorin dieses Audits, nur Männer. Vielleicht sind wir deshalb so friedlich. Dann neue kleine Punkte, die diesmal auf Bilder zu kleben sind: Strahlende Väter am Strand mit strahlenden Kindern – genau wie aus der Fernsehwerbung für Schokolade.
Jetzt gerät auch der Berichterstatter und Autor dieses Reiseführers ins Schlingern. Was antworten? Er ist nach dem Studium einfach ein Jahr zuhause geblieben und war die meiste Zeit „nur“ Vater. Eine schöne Zeit – und ganz ohne Auditierung und Zertifizierung. Wir kleben weiter Punkte und spielen weiter eifrig mit bei diesem lustigen Spiel.
Immer mehr Betroffenheitsrhetorik: Unternehmen sollen Vätern die Möglichkeit geben, sich um die Kinder zu kümmern. Nun ja, warum nicht. Keine späten Meetings am Nachmittag, damit es zu einem pünktlichen „Dienstschluss“ kommt. Das wird schon schwieriger: Denn zwecks optimaler Raumausnutzung hat die oberste Leitung die Devise ausgegeben, auch am späten Nachmittag und am Samstag zu arbeiten. Nun ja, aber etwas Widersprüchliches muss es ja geben und auch das Väter-Audit muss lernen, seinen Platz in der Hierarchie der Wichtigkeit zu erkennen.
Dann die Rhetorik der Aktivierung: Was machen wir, damit die Kinder gleichrangige Partner werden? Der Autor dieses Reiseführers berichtet von seinem seit 25 Jahren praktizierten System, wonach die Familie im Terminkalender auch Wochentags-Termine für sich sperren kann. Erstaunte Gesichter bei den Beratern. Vermutlich irgendwie die falsche Antwort.
Aber das ganze ist ja nur der „Kick-Off“: Irgendwann haben wir dann den richtigen Workshop, der uns dann auf die eigentliche Auditierung und unserer Zertifikat vorbereiten wird. Bei diesem regulären Väter-Workshops sind dann natürlich auch Frauen dabei, damit sie ihre Wünsche sowie Erwartungen artikulieren und ihre Sichtweise thematisieren können. Sicherlich eine gute Idee. Nur: Wenn auf einem Väter-Workshop auch mit Frauen diskutiert wird, warum finden Frauen-Workshops dann regelmäßig ohne Männer statt?
Und da ist sie wieder, die verräterische Wortwahl: Es gibt „Väter-Workshops“ und Frauen-Workshops, es gibt die eine väterfreundliche Kultur und eine frauenförderliche Kultur. Es gibt auch ein Väter-Audit, aber kein Mütter-Audit. Der Frauenbeauftragten (offiziell eigentlich „Gleichstellungsbeauftragten) scheint nichts aufzufallen und auch unser Chef freut sich: Das hier ist wirklicher Fortschritt.
Tipp für Männer: Solange es in Ihrem Unternehmen – egal ob mit oder ohne „Audit“ – auch nur einen einzigen Workshop oder einen einzigen Kurs gibt, der „ausschließlich“ für Frauen ausgeschrieben ist, bestehen Sie darauf, dass auch Väter-/Männer-Workshops ausschließlich für Männer abgehalten werden und damit für alle (!) Frauen gesperrt bleiben.
Damit bliebe auch die im Regelfall weibliche Gleichstellungsbeautragte vor der Türe, die diese Veranstaltungen organisiert, Dann und nur dann haben Sie die Chance, die Kurse in Ihrem Sinne zu optimieren und wirklichen Nutzen zu ziehen. Falls das alles nicht klappt, bleibt immer noch die Möglichkeit zur Klage gegen Diskriminierung: Hier bieten bereits Wortwahl und unterschiedliche Durchführungsprinzipien genug Ansatzpunkte für eine vielversprechende und signalsetzende Klage.
Allein – das Wort „männerfreundliche Kultur“ fällt immer noch nicht! Es wird über viel Unterschiedliches geredet, aber nicht über eine Kultur, die das Attribut „männerfreundlich“ trägt. Doch genau die brauchen wir immer dringender: Weiß denn niemand, dass die Selbstmordrate bei Männern größer ist als bei Frauen? Und die Lebenserwartung um viele Jahre geringer? Arbeitslosenquote, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Arbeitsstress? Nein. Darüber reden wir natürlich nicht. Männer werden in derartigen Workshops allenfalls reduziert auf ihre Rolle als (böse) Väter, die zu funktionieren haben.
Tipp für Unternehmensleitungen: Überlegen Sie gründlich, ob Sie so etwas Anachronistisches wie ein Väter-Audit starten, denn allein das Wort ist schon verräterisch und zeigt, wes Geistes Kind „man“ ist.
Trotzdem: Wir Männer nehmen es irgendwie locker und lassen es geschehen. Wir haben gelernt, dass man bei derartigen Spielen lieber den Mund hält und brav mitspielt. Sonst ist man „frauenfeindlich“. Und wie soll es weiter gehen? Vermutlich bekommen wir, wenn wir nur genug Punkte geklebt haben, irgendeine Plakette, die als „Väter-Audit“ bescheinigt, dass hier alles väter- und damit frauenfreundlich ist.
Tipp für Frauen: Vielleicht sollten Sie dafür sorgen, dass es statt der hier beschriebenen „Väter-Audits“ mit ihrer Betroffenheitsrhetorik sinnvolle Veranstaltungen gibt, die sich generell mit Themen wie „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ befassen. Oder die Work-Life-Balance thematisieren, denn auch Männer/Frauen/Paare ohne Kinder haben Anspruch auf ein vernünftiges Leben.
Selbst wenn es vor allem die faktisch als Frauenbeauftragte agierenden Personen im Regelfall ganz anders sehen: Männer und Frauen sowie Mütter und Väter sind zwar unterschiedlich, haben aber bei zeitgemäßer Interpretation von Familie und Beruf weitgehend identische Probleme.
P.S.: Vielleicht hilft – natürlich wieder nur unter Rückgriff auf den universellen Reiseführer von Douglas Adams – eine Zeitreise und dabei wird es allenfalls erhellend wirken, wenn „man bei einer Reise durch die Zeit zufällig sein eigener Vater oder seine eigene Mutter wird. Sein eigener Vater oder seine eigene Mutter zu werden ist kein Problem, mit dem eine tolerante und gut aufeinander eingespielte Familie nicht fertig würde. Das Ändern des Laufs der Geschichte ist auch kein Problem – denn der Lauf der Geschichte wird sich nicht ändern“. Auch nicht durch das Väter-Audit.
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