Mit nichts macht man sich so unbeliebt wie mit der Forderung nach Umdenken. Und mit nichts bekommt man so viel Applaus wie mit Begründungen dafür, nicht anders handeln zu müssen. Also: Am besten den nachfolgenden Text überhaupt nicht lesen.
Wieder einmal flattert ein Newsletter auf den Schreibtisch des Autors unseres kleinen Reiseführers. Und wieder einmal verleugnet jemand vehement und Beifall heischend jegliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Generationen. Nein: Babyboomer, Generation X, Y, Z: alles gleich und alles doch so wie immer. Also alles gut.
Vor dem inneren Auge des Autors dieses Anti-Mainstream-Reiseführers entsteht das Bild des mit sich und der Welt zufriedenen Personalmanagers, der – in seiner geschönten Wahrnehmung – schon immer ein sicheres Gefühl für Menschen hat und dessen intuitive Methoden sich schon immer so richtig bewährt haben. Da kommen ihm Newsletter, Zeitungsartikel, Buchbeiträge und Konferenzvorträge aus einer Ecke gerade recht, auf denen das Schildchen „Generationsverleugner“ steht.
Warum aber laufen Manager und Journalisten den Generationsverleugnern so nach, wie es die Ratten beim Rattenfänger aus Hameln gemacht haben? Was ist die Rhetorik der Generationsverleugner? Was ist ihr Erfolgsrezept?
Die Antwort ist so beängstigend simpel, dass es schon Spaß macht, sich mit ihr zu beschäftigen. Also: Die Entzauberung der Rattenfänger soll beginnen!
Generationsverleugner agieren populistisch: Eigentlich kann alles so bleiben
Zur Befriedigung des Bedürfnisses vieler Personalmanager nach Bequemlichkeit hat sich eine ganze Bestätigungsindustrie entwickelt, die nichts anderes tut, als Managern klipp und klar zu machen, dass sie perfekt auf Kurs sind. Und dass sie sich überhaupt nicht ändern müssen.
Auch hohe Fluktuation, unbesetzte Stellen und unzufriedene Führungskräfte können wenig an dieser Einstellung ändern, weil sie überall Bestätigung findet. Das Angebot der Generationsverleugner: wohlklingende Beruhigungspillen, liebliches Gesäusel und der Hinweis auf ganz viele Berufsjahre, in denen man gelernt hat, dass sich selten etwas ändert.
Generationsverleugner verleugnen: Gelernt von Donald Trump?
Wer kennt sie nicht: die Aussagen von Donald Trump zum angeblich nicht-existierenden Klimawandel. Besonders originell bei dieser Mythenbildung ist folgende Ausgangslage; Irgendwo gibt es wie jedes Jahr einen Schneesturm. Für den amerikanischen Präsidenten ist der aber ein untrüglicher Beleg dafür, dass es ja wohl nicht wärmer, sondern vielmehr allenfalls kälter wird.
Dazu der einfache Trick der Generationsverleugner, wenn es um die Generation Z geht: Man nehme ein Gegenbeispiel („Ich kenne da jemanden, der/die ist ganz anders und deshalb stimmt das mit den Generationen nicht“). Und sofort muss sich niemand mehr den Kopf über Generationen zerbrechen. Besonders gut als Gegenbeispiel: die eigenen jungen Verwandten.
Und wenn es um Merkmale anderer Generationen geht, zieht ein anderer Trick der Generationsverleugner, nämlich der Satz „Hat es früher auch schon mal gegeben“ – vielleicht nur einmal und vielleicht auch nur in der Fantasie. Wie beim Klimawandel: Wenn es plötzlich überall zu Dürrekatastrophen kommt, hat das natürlich nichts mit dem Klimawandel zu tun, wie folgender Satz eindrucksvoll belegt: „Dürrephasen sind so alt wie die Menschheit. Warum sonst ist Moses mit seinem Volk weggezogen?“
Und bei der Generationendebatte? Egal, welches Merkmal man beispielsweise bei der Generation Y präsentiert, der Satz aus dem Wortschatz der Generationsverleugnern „Ach, das hat es auch schon bei den Babyboomern gegeben“ passt immer, ist nie zu falsifizeren und unterbindet jegliche Diskussion – auf die es den Generationsverleugnern auch nicht ankommt, weil sie ja den Status Quo zementieren wollen.
Generationsverleugner praktizieren Framing: Das böse Spiel mit kleinen Worten
Man erkennt Generationsverleugner bereits an ihrem verräterischen Vokabular. Drei Beispiele aus ihrem Wörterbuch der Manipulation:
„Zuschreiben“ bedeutet, jemandem ein Merkmal anzudichten, das er/sie gar nicht hat. Die sich selbst beantwortende Anschlussfrage nach dem Vorwurf lautet: „Ist so ein Zuschreiben nicht wirklich sehr gefährlich?“ Plötzlich diskutieren wir lediglich und ausschließlich über die Gefahren vom unfairen Zuschreiben. Nur: Dabei übersehen wir aber vollkommen, dass die Generationslogik überhaupt kein Zuschreiben darstellt, sondern ein Erkennen von generationsspezifischen Mustern und Unterschieden ist.
Praktisch ist auch der Vorwurf „in einen Topf werfen“, oder noch besser „Schubladisierung“. Wie böse: Menschen mit ihrer Komplexität in eine Schublade zu stecken, wo sie weder hineingehören, noch wieder heraus können. Immer wieder gern gesehen auch der Satz: „Viel zu undifferenziert. Auf meine Tochter trifft diese Kritik nicht zu. Sie ist hoch digital kompetent und kann richtig gut mit dem Smartphone umgehen.“ Nur: Selbst wenn die eigene Tochter so kompetent wäre (was es erst zu beweisen gilt), dann könnte sie immer noch die Ausnahme von der Regel darstellen.
Eng verbunden damit ist die „ungerechte Stereotypisierung“ als Verwendung eines Verhaltensmusters, das es überhaupt nicht gibt. Also: Die verschiedenen Generationen sind irgendwelche Stereotypen nach dem Muster „Der Bayer verhält sich ….“, wobei es natürlich den einen Bayern ebenso wenig gibt wie „den“ Spanier oder „den“ Finnen. Nur: Man muss schon ziemlich kulturell beschränkt sein, um nicht zu erkennen, dass es durchaus Verhaltensmuster gibt, die eher auf Spanier (als auf Finnen) und eher auf Bayern (als auf Schleswig-Holsteiner) zutreffen.
Generationsverleugner schummeln: Das böse Spiel mit guten Daten
Wenn die Aussagen „Es ist doch kein Unterschied zwischen den Generationen“ und „Innerhalb jeder Generation gibt es klare Unterschiede“ Unternehmen gut gefallen, dann hilft das bekannte Spiel „Tricksen und Lügen mit Zahlen“. Zwei typische Beispiele für eine derartige hinterhältige Manipulation:
Man legt Babyboomer mit Generation X sowie Generation Y mit Generation Z zusammen. Dazu legt man die Trennlinie bei 40 Jahren. Und siehe da: Die Mittelwerte der Generation bei den entstandenen Gruppen sind ähnlich. Zum Mitrechnen: (4+6)/2 =(2+8)/2, trotzdem gilt aber 4 ist nicht gleich 8. Egal: Die Generationsverleugner stellen mit gewichtiger Stimme Beifall heischend fest, dass die Generationen überhaupt nicht unterschiedlich sind. Und alle jubeln, die keine Lust haben, sich der Herausforderung der verschiedenen Generationen zu stellen.
Oder man betrachtet beispielsweise die Altersgruppe von 16 bis 35 Jahren als einen Block, legt also Z und Y zusammen. Und zur völligen Verblüffung stellt man dann mit großen Augen fest, dass es da Unterschiede gibt. Also werfen die den Generationsverleugnern Folgenden den absolut unsinnigen Satz in den Raum: „Die Generation Y ist überhaupt nicht so einheitlich, wie es fälschlicherweise gesagt wird.“ Und alle jubeln, die keine Lust haben, sich der Herausforderung der verschiedenen Generationen zu stellen.
Generationsverleugner tricksen: Das böse Spiel mit falschen Worten
Gleichermaßen wunderbar wie typisch ist folgender Satz: „Es heißt oft, die junge Generation will lieber Freizeit haben statt arbeiten. Eine Studie zeigt jetzt, dass das nicht stimmt.“ Also: Die ganze Geschichte mit den Generationen ist nur ein Mythos.
So gut und so schön und natürlich auch so unsinnig. Im großen Universum der Studien gibt es kaum Studien, die behaupten, dass auch nur irgendeine Generation generell lieber Freizeit haben will statt arbeiten. Nur: Beispielsweise die Generation Z möchte eine klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit. Und vielleicht ist das sogar gut. Da das aber einige Unternehmer und ihnen nahestehende Journalisten lieber nicht zur Kenntnis nehmen wollen, gilt: lieber keine Generationsunterschiede und vor allem keine Generation, die Work-Life-Blending skeptisch betrachtet.
Generationsverleugner gefährden Unternehmen: Aber Muster ignorieren wird teuer
Wenn Vertreter der Generation Z Ausdrücke wie „Vertrauensarbeitszeit“ und „Flexible Arbeitszeiten“ unabhängig vom konkreten Inhalt mit „unbezahlten Überstunden“ und mit „eingebautem Mechanismus zur Selbstausbeutung“ in Zusammenhang bringen, anders als andere Generationen, dann sollte man das wissen.
Denn: Natürlich gibt es viele Merkmale, die zwischen den Generationen identisch sind (Beispiel „Sinn suchen“) und es gibt auch innerhalb einer Generation Unterschiede. Das ändert aber nichts daran, dass Generationen markante Merkmale aufweisen und wir gut daran tun, diese Unterschiede zu kennen und in ihrer Entstehung zu verstehen.
Ein interessanter Nebenaspekt: Die Generation Z lehnt – und das ist gut so – überwiegend Work-Life-Blending ab. Viele Generationsverleugner fühlen sich bedroht von dieser Vision, neben dem Beruf noch ein klar abgegrenztes und erfülltes Privatleben zu haben. Deshalb ist es einfacher, die Generation Z und damit die gesamte Differenzierung nach Generationen zu verleugnen.
Insider-Tipp: Generationen nicht überbewerten, aber nicht verleugnen
Natürlich gibt es auch Werte-Milieus und andere wichtige Erkenntnisse. Gerade für die aktuelle Arbeitswelt scheint aber die zusätzliche Differenzierung nach Generationen nicht nur hilfreich, sondern zwingend.
Denn eine Stellenanzeige für Auszubildende kann man nicht individuell auf jeden Einzelnen im Einzelfall anpassen. Man muss sie nun einmal formulieren. Dafür kann man irgendetwas grottenschlecht und an der Mehrzahl der Zielgruppe vorbei formulieren. Und dann kann man sich wundern, dass auf diese Anzeige niemand reagiert. Hier brauchen wir zumindest als Einstieg die Generationslogik – auch wenn diese Erkenntnis den berufsmäßigen Generationsverleugnern das Geschäft verdirbt und ihre populistische Propaganda unterläuft.
Was wir gelernt haben: Sich gezielt und spezifisch auf Generationen einzustellen, fällt vielen Managern so richtig schwer. Denn wenn man weiterhin wie vor 30 Jahren nach der Devise „Ich behandele jeden Einzelfall individuell“ handeln darf, dann braucht man sich nicht im Geringsten umzustellen. Trotzdem: Warum es nicht zumindest mit der Generationslogik versuchen und zusätzlich den individuellen Einzelfall nicht aus dem Auge verlieren?
P.S. Douglas Adams befasst sich in seinem Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“ weitsichtiger Weise natürlich auch mit Verleugnern. Er geht sogar noch einen Schritt weiter als der Autor des Reiseführers „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“, indem bei ihm sogar die Computer als Verleugner auftreten: „Ford traf haargenau dort auf einen ganzen Strang plausibler Leugnungs-Unterprogramme, wo er selbst welche hatte installieren wollen. Der Computer leugnete natürlich jede Kenntnis davon. Er weigerte sich auch zuzugeben, dass etwas da war, das man verleugnen hätte können.
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