Die Finanzkrise: Ein Toaster geht in Flammen auf

13. Oktober 2008

Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ beschreibt neben wirklich großen Themen auch viele kleine Kleinigkeiten. Deshalb wäre es kaum zu vermitteln, wenn er das Thema „Finanzkrise“ aussparen und nicht zumindest eine kleine epochal-merkwürdige Merkwürdigkeit lokalisieren würde.

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Im September 2008 merkten auch die letzten Optimisten, dass wir in der Weltwirtschaft eine richtige Krise haben. Gleichzeitig mit dem Erkennen der Probleme begannen die kollektiven Verdrängungsrituale: Schuld sind eigentlich nur die Banken, aber auch nur einige wenige, und auch dort ist eigentlich nicht richtig jemand schuld. Es war eben ein unglücklicher Zufall, es war der Markt, es war wie eine unberechenbare Naturkatastrophe. Alle anderen – und das sind rund 100% der Weltbevölkerung – haben offenbar einfach nur Pech gehabt: Anlagen weg, schlaflose Nächte, Verzicht auf Lohnerhöhungen (die Gewerkschaften haben schon vorsorglich nachgegeben) und vieles andere mehr: Gerade diese Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden uns sicher noch beschäftigen.

Zunächst aber die übliche Ausgangsdefinition: Finanzmarktkrise ist nach weit verbreiteter Ansicht entweder (a) eine unvorhersehbare und unverschuldete Naturkatastrophe oder (b) ein Symptom für generelle und branchenübergreifende Defizite im oberen Management.

Jetzt kann man natürlich mit spitzen Fingern auf Aufsichtsräte, Politiker und viele andere Schuldigen zeigen. Doch der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt” geht auch noch ein oder zwei Schritte weiter. Wir reden von der Arbeitswelt, wir reden von der Personalarbeit und wir reden von den Zeitschriften, die sich mit Unternehmen und vor allem mit deren Personalarbeit befassen.

Schaut man sich diese – teilweise auf Hochglanzpapier – gedruckten Publikationen an, so findet man kaum ein kritisches Wort über Auswahlkriterien, Entlohnungssysteme oder Entwicklungskonzepte für Top-Manager. Dabei kann und muss man gerade hier diskutieren, ob man in diesen drei Bereichen wirklich gut aufgestellt ist. Nur: Es gibt kein kritisches Wort – stattdessen fast schon demutsvolle Hofberichterstattung.

Es wird aber noch grotesker: Eine bekannte personalwirtschaftliche Fachzeitschrift erhielt im Juli ein Manuskript über eine (schon vor einiger Zeit abgeschlossene) Studie über das Humankapital der DAX-30-Unternehmen. Ganz am Ende – und zwar auf dem 30. Platz von 30 Plätzen – stand die Hypo Real Estate Holding mit dem niedrigsten Humankapital pro Kopf – im Regelfall ein rot leuchtendes Alarmsignal.

Doch was macht diese personalwirtschaftliche Fachzeitschrift? Zwar wurde der Artikel (verkürzt) gedruckt, aber man eröffnete lediglich die Diskussion darüber, ob und wie man denn überhaupt Humankapital berechnen soll. Die viel wichtigere Frage: Was läuft vielleicht personalwirtschaftlich falsch bei Unternehmen wie Hypo Real Estate Holding (und bei anderen schlecht positionierten Unternehmen) wurde überhaupt nicht gestellt. Selbst im aktuellen Oktoberheft findet sich nichts über die Personalarbeit der „Verlierer”, wohl aber erneut wieder eine „Kritik an der Berechnung”.

Wenn personalwirtschaftliche Praktikerzeitschriften selbst bei Vorliegen klarer Warnsignale nicht einmal bereit sind, ansatzweise und schüchtern die Personalarbeit von Unternehmen zu hinterfragen, dann haben wir nicht nur eine Bankenkrise, dann haben wir auch eine Medienkrise.

Was wäre denn, wenn (Achtung: fiktiver Fall) die Stiftung Warentest herausfinden würde, dass eine bestimmte Sorte Toaster plötzlich in Flammen aufgeht und diese Geräte damit lebensgefährlich werden. Sollte man dann – analog zum obigen Beispiel – lediglich darüber diskutieren, dass die Stiftung Warentest ihre Versuche um 13 Uhr auf einer Stahlplatte durchgeführt hat, während in der Realität auch vor 8 Uhr auf einem Holztisch mit Tischdecke getoastet wird? Wir also lediglich ein Problem mit einem Testdesign haben? Und sollten wir deshalb überhaupt nicht über die Fehlfunktionen des Toasters sprechen?

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P.S.: Für die Bankenkrise gibt es bei Douglas Adams in seinem Buch ein wunderbares Beispiel: Im ersten Kapitel des ersten Romans erfährt Arthur Dent, dass ein großer gelber Bulldozer im Auftrag der lokalen Behörden sein Haus abreißen möchte, was angeblich schon lange in irgendwelchen Plänen versteckt bekannt war. Kurz darauf kam dann eine ganz andere, noch viel gravierendere Durchsage: „Hier spricht Prostetnik Vogan Jeltz vom Galaktischen Planungsrat. Wie Ihnen zweifellos bekannt sein wird, sehen die aktuellen Pläne den Bau einer Hyperraum-Expressroute durch Ihr Sternensystem vor, und bedauerlicherweise ist ihr Planet einer von denen, die gesprengt werden müssen. Danke.”

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