Lange genug hat es gedauert: Endlich publiziert die „Junge Karriere” die zwei Fälle, in denen es tatsächlich gelungen sein soll, funktionsfähige Bachelor-Programme auf die Beine zu stellen. Kritiker mögen argumentieren „Wird auch Zeit” und haben nicht ganz Unrecht, wenn man bedenkt, dass bald mit gleicher Berechtigung Bäckermeister und Frisöre automatisch zum Bachelor („professional”) ernannt werden sollen.
Auf dem Weg nach Bologna ist eine solche Nachricht zweifelsohne wichtig und deshalb würdig, als Notiz in den Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt” aufgenommen zu werden.
Dementsprechend interessiert, nimmt sich der Berichterstatter das gerade erschienene Heft der „Jungen Karriere” und liest mit Staunen: Was ist die Alternative zu dem, was ansonsten in den Köpfen der „fantasielosen Designer” entsteht und was sich jenseits vom „Lamento vieler Professoren” mit ihrem „gepflegten Belehrungsdrill” durch die Bologna-Initiative entwickelt? Die Antwort des Autors des hier zu zitierenden Beitrags: „Kommen Sie mit nach St. Gallen oder seit kurzem auch nach Lüneburg.” Hier gibt es „viele studentische Mitarbeiter, die die Lernteams als junge Menschen begleiten”. „Die Persönlichkeiten sich entwickeln zu lassen ebenso wie die Fähigkeit, Probleme auch auf nicht speziellen Gebieten zu lösen, das gehört zu dieser neuen, kreativen Form eines wissenschaftlichen Studiums, das aber nicht dünnbrettige Mini-Wissenschaftler fördert, sondern jungen Leuten Berufsfähigkeit vermittelt”.
Erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, um endlich die wirkliche Alternative zum verstaubten Hochschulsystem in funktionsfähiger Form zu präsentieren. Trotzdem ist es die Pflicht des Berichtserstatters zu hinterfragen ….. und jetzt wird es (leider) wirklich kompliziert, aber interessant, worauf man bei der Erforschung der unendlichen Weite des Bildungssystems stößt.
Wer ist der Autor? Der Artikel wurde geschrieben von Klaus Landfried, bis vor kurzem Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.
Zur Erinnerung: Seit den neuen Hochschulgesetzen werden die Hochschulen von Präsidenten/Rektoren mit weitreichenden Vollmachten (Entscheidung über Berufungen, über Dekane, über Studiengänge, über Forschungsschwerpunkte etc.) geleitet. Das kann – je nach Kompetenz des Präsidenten/Rektors – durchaus gut oder auch schlecht sein und soll an dieser Stelle nicht hinterfragt werden. Die (Standes-)Vereinigung dieser Hochschulchefs ist die Hochschulrektorenkonferenz. Ein wichtiges Instrument, um die Rolle von Hochschulchefs zu stärken, ist die Zentralisierungs- und Standardisierungstendenz der Bologna-Beschlüsse.
Also: Die Hochschulrektorenkonferenz ist zwingend für die flächendeckende Einführung von Bachelor-Abschlüssen – solange sie in ihrem Hoheitsgebiet erfolgt. Dementsprechend ist sie gegen Bachelor-Abschlüsse, wenn sie beispielsweise von Handwerkskammern vergeben werden.
Der Reiseführer durch die Arbeitswelt definiert daher: „Bachelor ist ein mittelfristig angestrebter und mit Bologna begründeter Standardabschluss, der gleichermaßen von Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien und Handelskammern zu vergeben ist.”
Vor diesem Hintergrund ist die Euphorie von Klaus Landfried für die Abschaffung von Diplomstudiengängen und vielen anderen Modellen nur verständlich. Es wird aber noch klarer: Denn in der Biographie von Klaus Landfried liest man, dass er sich als „Wissenschaftsberater und Headhunter” betätigt. Spätestens jetzt ahnt man es (und es ist auch wirklich so): Klaus Landfried ist natürlich nicht nur immer noch in der Denkwelt der Hochschulrektorenkonferenz, sondern war selbstredend auch als Berater für die Universität Lüneburg tätig.
Eintrag in den Reiseführer durch die Arbeitswelt: „Interessengeleitet (Adj.): Verfassen eines Artikels oder Durchführung einer Handlung zum eigenen Nutzen (findet immer statt)” und „Verdeckt interessengeleitet (Adj.): siehe ‚interessengeleitet’ plus Erwecken des Anscheins der Neutralität (findet manchmal statt)”.
Der Verfasser dieses Reiseführers wird neugierig und schlägt das Editorial des neuen Geschäftsführenden Redakteurs der „Jungen Karriere” auf. Dort findet er den Hinweis, dass Klaus Landfried in Zukunft regelmäßig als Kolumnist tätig sein und sich gleichermaßen „Studenten und Professoren” „vorknöpfen” wird. Nun, das irritiert etwas und wäre nur noch dadurch zu überbieten, wenn ein DaimlerChrysler-Vorstand als oberster Richter zu „Umweltschutz & Fairness im Automobilsport” ernannt würde.
Im Ergebnis irgendwie traurig: Bachelor-Abschlüsse sind durchaus sinnvolle Ergänzungen der gegenwärtigen Angebote von Hochschulen. Brauchen sie wirklich solche Laudatoren? Genügen nicht die vielen Millionen Euro von Fördermitteln und Studiengebühren, die in diese Zwangsumstellungen fließen?
Was aber hat das ganze mit einem Homeshopping-Kanal zu tun und welche Rolle spielt dabei der neue und welche der jetzt abgelöste Chefredakteur? Welcher Mohr hat welche Schuldigkeit getan? Dazu und zu anderen Nebensächlichkeiten mehr in einer der nächsten Folgen der Reihe „Per Anhalter durch die Arbeitswelt”.
P.S.: Mit geringfügiger Modifikation findet man bei Douglas Adams folgenden Eintrag. Es gibt selbstverständlich viele Probleme, die mit dem Leben zusammenhängen. Von denen sind einige der bekanntesten: Warum wird der Mensch geboren? Warum stirbt er? Warum will er Bachelor werden? Und warum verbringt er so viel von der Zeit dazwischen mit dem Tragen von Digitaluhren?
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